„Traut euch!“ – Annemarie über die Rolle von Frauen in der Baubranche und das Netzwerk „EMPOWERMENT“.

8.3.2025
Welche Chancen und Herausforderungen gibt es für Frauen in einem traditionell männlich geprägten Umfeld? Im Interview berichtet Annemarie von ihrem beruflichen Werdegang als Frau in einer Führungsposition in der Baubranche. Sie gibt spannende Einblicke in ihre Arbeit und ihr Engagement im Netzwerk „EMPOWERMENT“. 
Junger Mann sitzt mit verschränkten Armen auf einem Sofa und lächelt in die Kamera.

Wie bist du zu ZÜBLIN gekommen und war es schon immer dein Ziel, in der Baubranche zu arbeiten?
Ich hatte nie das Ziel, in der Baubranche zu arbeiten. Nach meinem Abitur habe ich erst einmal den klassischen Weg eingeschlagen und habe eine Ausbildung zur Bankkauffrau gemacht. Im Anschluss habe ich zehn Jahre lang in verschiedenen Finanzinstituten in unterschiedlichen Positionen gearbeitet und berufsbegleitend studiert. 2015 kam dann für mich der Wendepunkt und ich wollte mich beruflich verändern. In der Finanzbranche hatte ich das Gefühl, nicht zu sehen, wofür ich arbeite. Dann habe ich eine Stellenanzeige der STRABAG gesehen und den Schritt in die Baubranche gewagt. 

Was fasziniert dich an der Baubranche?
Auch wenn ich unsere Gebäude nicht selbstständig errichte, ist die Identifikation mit dem Unternehmen bei ZÜBLIN bzw. STRABAG für mich etwas ganz anderes. Man trägt aktiv einen Teil zu etwas ganz Großem bei, auch wenn man nicht selbst den Asphalt einbaut oder die Ziegel verbaut. Man sieht trotzdem, was entsteht – das macht für mich den Unterschied! Es macht mich auch heute noch stolz, unsere Baustellen zu sehen.  

  • Man trägt aktiv einen Teil zu etwas ganz Großem bei, auch wenn man nicht selbst den Asphalt einbaut oder die Ziegel verbaut. Es macht mich auch heute noch stolz, unsere Baustellen zu sehen.

    Annemarie Schmidt
    Kaufmännische Bereichsleiterin, ZÜBLIN Spezialtiefbau

Wie kamst du in deine aktuelle Position und welche Aufgaben verbergen sich dahinter?
Ich habe bei STRABAG in Thalgau (Österreich) angefangen. Dort bin ich vor knapp zehn Jahren in die Verkehrs- und Tunneltechnik als kaufmännische Gruppenleiterin eingestiegen. Im Anschluss hatte ich noch weitere Positionen bei STRABAG inne, bevor ich Anfang 2024 als kaufmännische Bereichsleiterin für den internationalen Bereich zum ZÜBLIN Spezialtiefbau gewechselt bin. Aktuell betreue ich die Länder Tschechien, Polen und England. Unser Ziel ist es, diese Länder so zu entwickeln, dass sie irgendwann eigenständige Bereiche sind und gemäß unserer Konzernvorgaben und Prozesse arbeiten. Meine Aufgabe ist es, unsere Prozesse an das jeweilige Land anzupassen und die Länder bei ihrer Entwicklung hin zum eigenständigen Bereich zu begleiten. Letztes Jahr ist das bereits mit Rumänien geglückt. 

Was motiviert dich am meisten an deinem Job und was wünschst du dir für deine berufliche Zukunft?
Am meisten motiviert mich, wenn ich sehe, dass meine Kolleg:innen Spaß an der Arbeit haben und wir mit diesem Spaß und dieser Motivation gemeinsam tolle Projekte realisieren. Auch ist es sehr motivierend, wenn man sieht, wie eine erarbeitete Strategie umgesetzt wird und in der Praxis funktioniert. Natürlich ist nicht jeder Tag toll, aber ich finde es wichtig, dass man mit einem guten Gefühl in die Arbeit geht. Und wenn ich mit meiner Arbeit dazu beitragen kann, dass die Kolleg:innen mehr Spaß an der Arbeit haben, ihre Arbeit leichter wird und wir gemeinsam besser werden, freut mich das immens. An meinem Job schätze ich, dass ich mich mit meinen Fähigkeiten einbringen und meinen Teil zum großen Ganzen beitragen kann. Zudem finde ich es großartig, dass ich sehr gestalterisch und selbstständig arbeiten kann – das ist mir auch sehr wichtig.

Gab es für dich als Frau in der Baubranche besondere Herausforderungen?
Es macht einen Unterschied, das kann ich aus meiner persönlichen Erfahrung berichten. Ich hatte in der Vergangenheit auch Führungskräfte, die mich als Frau in einer Führungsposition nicht gefördert haben. Das hat mich demotiviert und schließlich auch dazu bewegt, zu wechseln. Denn ich wusste: Ich kann mehr – und ich kann der Organisation mehr nutzen, indem ich mein Wissen strategisch einbringe. Ich kann anderen Frauen in der Baubranche nur mit auf den Weg geben: Habt keine Angst, den nächsten Schritt zu gehen und steht für euch ein. 

Gleichzeitig braucht es aber auch Vorgesetzte, die Frauen fördern und ihnen – auch in Teilzeit – Verantwortung übergeben möchten. Es bedarf vielleicht mehr Organisation, aber es lohnt sich. In diesen Kolleg:innen schlummert oft viel Potenzial für Weiterentwicklung. Von daher: Habt den Mut, andere Wege zu gehen, als wir es in der Vergangenheit immer gemacht haben. Ich selbst beurteile in meinem Verantwortungsbereich neutral, wer am besten für eine Position geeignet ist – ganz unabhängig von Geschlecht, Alter und Herkunft. Die am besten geeignete Person soll den Job machen.

  • Ich kann anderen Frauen in der Baubranche nur mit auf den Weg geben: Habt keine Angst, den nächsten Schritt zu gehen und steht für euch ein.

    Annemarie Schmidt
    Kaufmännische Bereichsleiterin, ZÜBLIN Spezialtiefbau

Wie erlebst du das Thema Geschlechterverteilung im Konzern und was macht der Konzern, um Frauen zu fördern?
Wir sind ein Bautechnologiekonzern und dort sind traditionell mehr Männer beschäftigt als Frauen. Dennoch kann ich nach zehn Jahren im Konzern sagen: Es ist natürlich noch viel Luft nach oben, aber es hat sich auch schon ganz viel getan. Wir haben inzwischen eine Koordinatorin für Equality, Diversity und Inclusion (EDI), es existieren Angebote zum Thema „Female Leadership“ und ein verpflichtendes eLearning für Führungskräfte zum Thema Diversität und Unconscious Bias. Darüber hinaus gibt es bei ZÜBLIN spezielle Austausch-Formate für Frauen, allen voran unser Netzwerk „EMPOWERMENT“. Des Weiteren werden auch Mentoring-Programme angeboten, die Frauen nutzen können.

Manchmal sind es aber auch die „kleinen“ Maßnahmen, die viel bewegen: Kolleginnen mit auf die Baustelle nehmen, Neubesetzungen anders angehen, Frauen in Teilzeit fördern. Wenn man in seiner Einheit mit gutem Beispiel voran geht und diverse Teams fördert, leistet man damit einen wichtigen Beitrag zum großen Ganzen. Damit noch mehr Positionen durch Frauen besetzt werden, haben wir noch viel Arbeit vor uns – doch wir sind auf dem richtigen Weg.

Du bist Mitorganisatorin der Initiative "EMPOWERMENT". Wie kam es dazu und was hat es damit auf sich? 
Aus einer kleinen Teams-Gruppe zum Austausch unter Frauen entwickelte sich eine feste Runde von vier bis fünf Kolleginnen, die sich regelmäßig online trafen. Dabei entstand die Idee, dass auch andere diesen Austausch schätzen könnten. So wuchs die Gruppe schnell auf 30 bis 40 Teilnehmerinnen an, die sich regelmäßig virtuell austauschen und vernetzen. Aus dem Wunsch nach einem persönlichen Treffen entstand 2024 – mit der Unterstützung des ZÜBLIN-Vorstands – in Stuttgart unser erstes Präsenz-Netzwerktreffen. Zugleich war das der Startschuss für unsere Initiative „EMPOWERMENT“. Neben der Möglichkeit, sich intern zu vernetzen, bot das Treffen inspirierende Vorträge und Workshops mit internen und externen Speaker:innen. 

Dieses erste Präsenztreffen war nur der Anfang: Neben weiteren Treffen sind bereits zusätzliche Maßnahmen und Events in Planung. Unser Netzwerk setzt sich gezielt für mehr Diversität ein. Daher ist es mir wichtig, zu betonen: Es sind alle Kolleginnen und Kollegen herzlich willkommen!

Was würdest du Berufseinsteigerinnen mit auf den Weg geben?
Wenn ihr Interesse an der Baubranche habt: Traut euch! Auch wenn die Branche aktuell (noch) männerdominiert ist – es ist nicht immer nur negativ, eine Frau unter vielen Männern zu sein. Viele Kollegen freuen sich, wenn man als Frau auf die Baustelle kommt und sind offen für den Austausch. Ganz nach dem Motto „Probieren geht über studieren“: Geht neue Wege, habt den Mut und kommuniziert eure Wünsche. Euer Gegenüber weiß nicht, was für (Karriere)-Pläne ihr habt oder was euer Antrieb ist. Daher: Sprecht es aus! Und an alle Kolleginnen: Nutzt die Möglichkeiten, die es bereits im Konzern gibt, und engagiert euch.

Danke, Annemarie, für das inspirierende und empowernde Interview!